Einsam im Kinderwunschprozess?

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Wie das Teilen von Erfahrungen im unerfüllten Kinderwunsch ein Wendepunkt für psychische Gesundheit sein kann.

„Jede:r Depp kann Sex haben und Kinder bekommen. Und wir? Wir haben die besten Voraussetzungen, wir wollen es so sehr, wir tun alles – und trotzdem klappt es nicht.“

Vielleicht hast Du diesen schwer aussprechbaren Gedanken schon gehabt. Er nagt an Dir, leise, unerbittlich. Besonders dann, wenn die Freundin mit einem überraschten Lächeln ihre Schwangerschaft verkündet. Oder wenn der Kumpel erzählt, dass das Baby eigentlich gar nicht geplant war – und Du selbst mitten in der reproduktiven Krise steckst.

Diese Vergleiche fühlen sich brutal an. Sie werfen Fragen auf, die Dich nachts wachhalten: Warum wir? Warum nicht ich? Womit habe ich das verdient?

Wenn Einsamkeit die reproduktive Krise prägt

Reproduktive Krisen sind mehr als medizinische Prozesse. Sie sind entscheidende Wendepunkte, die tief in das gesamte Leben eingreifen: in Körper, Psyche, Beziehungen, Arbeit, Finanzen. Sinn und Identität. Und sie fühlen sich oft extrem einsam an – so, als stündest Du als Einzige:r ohne Kind mitten in der Neonatologie, umgeben von all den Glücksmomenten der anderen. 

Du beginnst, Dich aus Freundeskreisen zurückzuziehen, um Babyfotos und die immer gleichen Fragen zu Eurer Familienplanung zu vermeiden. Und wenn Dir gut gemeinte Ratschläge begegnen – Diäten, Entspannungsübungen, das berühmte einfach loslassen, spürst Du, dass sie weniger Dir gelten als der Unsicherheit des Gegenübers. Du scheinst zuzuhören, aber innerlich ziehst Du eine unsichtbare Wand hoch. Du fühlst Dich nicht gesehen. So verstärkt sich die Einsamkeit, die Isolation, die Einengung. Es macht sich die Überzeugung breit, es treffe nur Dich selbst so, Du seiest die Ausnahme.

Im Teilen die Isolation überwinden

Als mein Mann und ich offen über unsere Fehlgeburten, unsere IVF-Erfahrungen und unseren Adoptionsprozess sprachen, wurden wir aber genau in diesem Punkt immer wieder überrascht. Fast jedes Mal vertraute uns das Gegenüber ebenfalls eine verwandte Geschichte an.

Da war die ältere Freundin, die mir erzählte, dass sie vor drei Jahrzehnten eine Fehlgeburt erlebte und sich danach nicht mehr traute, es wieder zu versuchen. Seitdem hatte sie kaum darüber geredet.

Da war der Kindheitsfreund, der über Jahre hinweg im Stillen mehrere IVF-Versuche durchmachte – und sich erst jetzt, nach unserem Erzählen, traute, seine Geschichte zu teilen.

Da war der Kollege, der plötzlich von der Schwester sprach, die selbst schon lange in Behandlung ist – etwas, das er vorher nie erwähnt hatte.

Ich könnte ein Buch schreiben. Diese Resonanz hat mir gezeigt, wie dicht das Schweigen ist – und wie viele Stimmen es in Wahrheit gibt, die dieses Klagelied singen könnten.

Reproduktive Krise zwischen Zahlen und Narrativen

Statistisch ist das kein Randthema: In Europa sind etwa 15 % der Paare von einer reproduktiven Krise betroffen. Schätzungen zufolge enden 13–19 % der medizinisch erkannten Schwangerschaften in einer Fehlgeburt; wenn sehr frühe Verluste mitgezählt werden, liegt die Zahl sogar bei 20–30 %.

Glaubenssätze wie „Eine richtige Frau ist Mutter“ oder „Ein richtiger Mann ist zeugungsfähig“ halten sich indessen hartnäckig im Vorbewussten. Wenn sie nicht ans Licht treten, können sie erstens kaum besprochen werden, zweitens insgeheim Scham in uns anstiften. Wir schämen uns dafür, den gesellschaftlichen Erwartungen nicht zu entsprechen. Oder dafür, dass sie überhaupt doch relevant für uns aufgeklärte Menschen sind. Und erst recht dann sprechen wir kaum über unsere Erfahrung und unser Leid.

Die Reproduktionsgeschichte neu schreiben

Wenn wir beginnen, miteinander zu sprechen, können wir aber die Geschichten, die uns klein halten, ans Licht bringen und umschreiben. Was uns in Scham und Dunkelheit isoliert, wird durch Teilen und Resonanz tragbarer. Langsam entstehen neue Narrative – also Geschichten, die wir uns selbst und anderen über unser Leben erzählen, die prägen, wie wir uns fühlen und wie wir handeln.

Auch die reproduktive Krise kann dann zum bereichernden Wendepunkt im eigenen Leben, in der eigenen Beziehung, in der eigenen Entwicklung werden. Unabhängig davon, wie der Kinderwunsch ausgeht, kann man aus der Krise einen Moment der Selbstermächtigung machen. Ein solch aktiver Umgang mit der reproduktiven Krise ist laut Studien – von meiner gelebten Erfahrung ganz zu schweigen – die beste Investition in die psychische Gesundheit von Betroffenen.

Einladung zu Empowerment in Gemeinschaft

Genau dazu ist Persephone da: ein Ort von Betroffenen für Betroffene, in dem Gemeinschaft trägt, sich Unausgesprochenes in Verbundenheit verwandeln darf und wo Du beginnst, Deine Reproduktionsgeschichte neu zu schreiben.

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Marina von Persephone

Grüß Dich! Ich bin Marina, Sprachwissenschaftlerin in psychotherapeutischer Ausbildung – mit zehn Jahren Erfahrung in Forschung und Lehre und mehr Ideen als ich Zeit habe. Mitten in der reproduktiven Krise habe ich 2021 mit Unterstützung meines Mannes Persephone ins Leben gerufen – die Grazer Selbsthilfegruppe für Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch. Diese Gruppe hat uns durch Höhen und Tiefen bis zur Adoption unserer Tochter getragen und geholfen, dieser schwierigen Zeit Sinn zu geben. Heute führe ich Persephone weiter, damit sie weiterhin Menschen hilft, den Sturm der Unfruchtbarkeit zu navigieren.