Ein Denkanstoß für alle, die sich in der reproduktiven Krise allein fühlen – und für Paare, die es anders machen wollen.
Vielleicht kennst du diesen Moment: Du liest einen Artikel, bekommst einen Befund, sprichst mit einer Ärztin – und ehe Du Dich versiehst, liegt alles bei Dir. Die Verantwortung. Die Recherche. Die Organisation. Die Terminplanung. Die Fachsprache.
Obwohl es Eure Kinderwunschreise ist, fühlst Du Dich plötzlich mitten im Sturm Kapitänin ohne Crew.
Vielleicht kennst du diesen Moment: Du sitzt in der Arztpraxis für ein Beratungsgespräch, gibst vielleicht eine Samenprobe ab – und ehe Du Dich versiehst, ist Dein Leben von ihrem Zyklus bestimmt. Hormonstatus. Spritzen. Eisprung. Sex nach Kalender. Kontrolltermine.
Obwohl es Eure Kinderwunschreise ist, fühlst Du Dich plötzlich machtlos, das Ruder Deines Lebens ins Wasser gefallen.
Ihr seid nicht die Einzigen.
Geteilte Reise, geteiltes Leid?
Viele Frauen berichten, dass sie sich in der reproduktiven Krise doppelt und dreifach und vierfach belastet fühlen: einmal durch den körperlichen Einsatz, dann durch die emotionale Achterbahnfahrt, dann durch die Schwierigkeit, KiWu-Termine mit dem Job zu vereinbaren – und dann nochmal durch das stille Gefühl, „zuständig“ zu sein.
Viele Männer berichten, dass sie sich in der reproduktiven Krise machtlos fühlen: Sie spüren den Wunsch, ihre Partnerin zu entlasten, wissen aber nicht, wie. Es ist ihr Körper, der beansprucht wird, das kann man nicht ändern. Sie wollen zumindest stark für sie sein – und still breitet sich das Gefühl noch mehr aus, am Rande zu stehen.
Eine einseitige Geschichte: Forschung und Medizin im Rückstand
Tatsächlich wurde Unfruchtbarkeit über Jahrhunderte hinweg als reines Frauenthema behandelt – auch in der Forschung und in medizinischen Praxen, die es besser hätten wissen sollen. In den USA etwa wurden bis ins 21. Jahrhundert hinein fast ausschließlich Daten zur weiblichen Fruchtbarkeit erhoben. Männliche Fruchtbarkeit? Kaum untersucht. Kaum sichtbar.
Der Anfang meiner KiWu-Reise war auch einseitig: Ich war 35, hatte eine Fehlgeburt hinter mir und nach weiteren sechs Monaten ungeschützten Verkehrs hatte sich keine Schwangerschaft mehr ergeben. Ich rief, WHO-getreu, meine Gynäkologin an: Einen Hormonstatus sollte ich machen und sonst keine Sorgen, Sie werden in drei Monaten schwanger. Den Weg zum Spermiogramm, der dann unser Schlüssel zum IVF-Fonds werden sollte, mussten wir alleine finden.
Mental Load trifft stummes Leiden: der heimtückische Bruch im Paar
Bis heute sind es häufig Frauen, die zuerst ärztliche Hilfe suchen – und die dann als „Hüterinnen der Informationen“ wahrgenommen werden: Sie sammeln die Unterlagen, koordinieren Termine, erinnern an Medikamenteneinnahmen. Und weiterhin werden Männer allein mit ihren Gefühlen gelassen.
Das hat Folgen, für Frauen wie für Männer:
– Männern fehlt bis heute oft der Raum, sich auszudrücken. Viele sprechen nicht offen über ihre Erfahrungen – aus Angst vor dem Stigma, „nicht zu funktionieren“ oder ihre Männlichkeit infrage zu stellen.
– In heterosexuellen Partnerschaften fühlen sich viele Männer verpflichtet, für ihre Partnerin stark zu bleiben – und verschweigen dabei das eigene Leiden.
– Frauen tragen oft allein die mentale und emotionale Last.
– Paaren entgeht die Chance, diese oft erste Krise ihrer Beziehung gemeinsam zu bewältigen und dadurch zusammen zu wachsen.
Das muss nicht so bleiben.
Zeit für ein neues Denken: Unfruchtbarkeit ist Paarsache
Unfruchtbarkeit betrifft nicht „die Frau“. Sie betrifft Menschen. Paare. Beziehungen. Lebenspläne.
Wenn wir sie weiter als Frauenthema behandeln, vertiefen wir nur die Ungleichverteilung von Verantwortung, die Trennung von Geschlechtern, die Isolation aller Betroffenen.
Aber wenn wir anfangen, Unfruchtbarkeit ernsthaft als Paarsache zu denken und die reproduktive Krise als Paar anzugehen, kann etwas Neues entstehen: Verständnis. Mitgefühl. Wachstum. Eine gemeinsame Sprache.
Deswegen richtet sich Persephone an Euch beiden.
Seit 2021 bietet die Selbsthilfegruppe Persephone einen geschützten Raum für Menschen, die ihre reproduktive Krise nicht nur durchstehen, sondern bewusst gestalten möchten. Dabei denken wir das Paar als Protagonist dieser Herausforderung – selbst dann, wenn nur eine Person kommt. Denn was eine Beziehung stärkt, beginnt oft bei einer einzelnen Stimme, die sich irgendwo zu Wort meldet, wo offene Ohren sind.
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